Meine beiden Großväter sind im Krieg gewesen: Der Opa väterlicherseits war Teilnehmer des Rußland-Feldzuges (»nur als Kraftfahrer«, wie einer seiner Söhne – mein Onkel – vor Jahren zu relativieren trachtete), der Opa mütterlicherseits diente als Mitglied einer Propaganda-Kompanie im Westen (und brachte Seidenstoffe, Schallplatten und andere Kostbarkeiten aus Paris im Urlaub mit nach Hause, wie meine Oma zu berichten wußte). Über das Ausmaß ihrer persönlichen schuldhaften Verstrickung ist mir von beiden Ahnen nichts bekannt: Zu ihren Lebzeiten war ich zu jung, um kritische Fragen stellen zu können, nun werde ich es wohl auch nicht mehr herausfinden. Egal, als Teil der Hitlerschen Kriegsmaschinerie werden sie beide nicht mit gänzlich sauberen Händen (und reinen Gewissens) aus den zwölf Jahren der Nazi-Diktatur herausgekommen sein...
Was würde ich wohl tun, wenn sich doch noch herausstellte, daß der eine Opa beispielsweise ein Kriegsverbrecher und der andere meinethalben ein schäbiger Profiteur vom Unglück ideologisch Verfolgter gewesen war? Ich würde es jedenfalls immer begrüßen, wenn die Wahrheit ans Licht käme. Über falsches Verhalten zu richten würde ich mir als in einer jungen Demokratie leidlich indoktrinatonsfrei Aufgewachsener nicht herausnehmen. Keinesfalls aber würde ich objektiv belegbare Umstände und Tatsachen zu verschleiern trachten, um meine Vorfahren »reinzuwaschen« von den Sünden der Vergangenheit! Es gilt, die objektive (und ggf. unbequeme) Wahrheit zu erforschen, um aus ihr zu lernen.
Damit aber scheinen viele andere Leute ihre Schwierigkeiten zu haben: Zugespitzt gesagt, scheint es mit Hitler, Goebbels, Göring und Himmler nur vier »echte« Nazis gegeben zu haben, und alle anderen haben immer nur so getan, als wären sie welche, um »Schlimmeres zu verhüten«. Zahllose Mitläufer und ‑tuer haben die Nachkriegswirren zur Schönung der eigenen Biographie genutzt, und bei Lektüre mancher Zeitzeugenberichte hat man regelmäßig den Eindruck, als wären die Nazis 1933 vom Himmel gefallen und hätten sich 1945 wieder verflüchtigt, ein armes, verführtes und gänzlich unschuldiges deutsches Volk zurücklassend...
Wenn dank zeitgemäßer Recherche-Möglichkeiten unschöne Details aus dem Leben von Menschen »ausgegraben« und belegt werden können, die im öffentlichen Leben Fürths einiges Ansehen genossen hatten und einem Großteil der Bevölkerung zumindest namentlich bekannt gewesen waren, dann ist es sicherlich verständlich, wenn deren Nachkommen zunächst verstört auf unverhoffte »Enthüllungen« in biographischen FürthWiki-Artikeln reagieren. Sie sollten aber verstehen, daß die Chronistenpflicht nicht das Ziel hat, das Angedenken Verstorbener zu schänden oder gar den noch lebenden Nachkommen Schuldgefühle aufzubürden: Ziel und Zweck unseres Online-Lexikons ist einzig und allein das Verfügbarmachen von beweisbaren Fakten.
Wir werten nicht, wir dokumentieren. Falls dadurch altbekannte Persönlichkeiten in weniger schmeichelhaftem Licht erscheinen sollten als vorher, so ist das keine »Hexenjagd«, sondern im Gegenteil das Resultat akribischen Arbeitens nach wissenschaftlichen Gepflogenheiten. Dies weiterhin und engagiert zu tun sind wir den wahren Opfern der »großdeutschen« Vergangenheit schuldig.